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Mittwoch, 6. August 2014

Ein ganzes Dorf soll dem fossilen Tagebau weichen

Als am 23. Juli 2014 der neue Bürgermeister von Proschim, Gebhard Schulz, im Gemeindebüro Platz nahm, fuhr ein Schauer durch einen Teil der 360 Einwohner des kleinen Ortes in Brandenburg, unweit der polnischen Grenze. Grund dafür ist, dass Schulz die Meinung vertritt, dass es Proschim eigentlich bald nicht mehr geben muss, so welt.de.

Er siegte bei der Wahl, bei der es für Proschim um Alles ging.

Proschim ist ein Ort, der - wie bereits 83 weitere Orte in der Lausitz - dem Tagebau weichen und umgesiedelt werden soll. 2024 soll der Tagebau in Proschim beginnen, denn ab 2026 will der schwedische Energiekonzern Vattenfall hier zusätzlich 200 Millionen Tonnen Braunkohle fördern.
Die Entscheidung zum Ausbau des Tagebaus Welzow-Süd bei Cottbus traf die Landesregierung von Brandenburg schon vor der Sommerpause mit dem Argument, dass über 8.000 Jobs dort unmittelbar an der Braunkohle hängen. Vattenfall ist in dieser Region der größte Arbeitgeber. Weiterhin argumentierte die Landesregierung, dass in Zeiten des Atomausstiegs der Strom schließlich auf andere Weise erzeugt werden muss. So wird dieses Vorhaben als Pro-Energiewende angepriesen, obwohl ein Dorf verschwindet, welches in der Lage ist, sich komplett mit Erneuerbaren Energien selbst zu versorgen, so welt.de.

Nun spalten sich die Ansichten der Bürger von Proschim. Auf einer Seite stehen die Bauern mit Ihren großen Höfen, Feldern und Solarzellen auf den Ställen, die wollen, dass Proschim bleibt. Auf der anderen Seite stehen die "die Mieter", welche ihre Jobs bei Vattenfall haben und laut Bericht angeblich auf eine hohe Abfindung für die Umsiedlung hoffen.

Ein Bauer erklärt gegenüber welt.de, dass er keinen Wert auf das Geld legt. Er wohnt seit den 70er-Jahren in Proschim und Haus und Hof aufzugeben kommt für ihn nicht in Frage. Heimat ist schließlich mit keinem Geld der Welt aufzuwiegen. Die Landwirte haben sich entschieden, mit vollem Einsatz gegen den Ausbau zu kämpfen. Sie würden durch den Tagebau über 600 Hektar Land verlieren.

Bild: Claus Weisweiler / pixelio.de
Die Bauern sind aber nicht allein. Sie erhalten Hilfe von den Grünen, Greenpeace und Robin Wood. Im Juni wurden 40 Internationale Aktivisten nach Proschim geschickt und bald soll es eine Menschenkette von Proschim bis zur polnischen Grenze geben.

Der europäische Programmdirektor von Greenpeace, Thomas Henningsen, erläutert wie fatal es ist, wenn Deutschland in der Hochphase der Energiewende neue Kohletagebaue genehmigt. Weiterhin hält er den Braunkohleabbau in der Lausitz für einen Skandal mit europäischen Dimensionen.
Fakt ist, Braunkohle ist der klimaschädlichste Energieträger. Durch die Kraftwerke wird rund dreimal so viel Kohlendioxid produziert wie bei der Gasproduktion. Hinzu kommen noch weitere gesundheitsschädliche Stoffe wie Schwefeldioxid, Feinstaub und Schwermetalle, welche bei der Verbrennung entstehen. Dabei besteht Braunkohle zu 50 Prozent aus Wasser und hat daher nur einen geringen Brennwert.

Bild: Harald Schottner / pixelio.de
Nach dem Abbau benötigt die Landschaft hunderte Jahre, um sich zu erholen und gleicht einer Mondlandschaft. Aus diesem Grund bereiten Klimaschützer eine Klagewelle vor. Aber auch die Kohlefreunde sind vorbereitet. So wurden knapp 70.000 Unterschriften von Braunkohleaktivisten im Bündnis Pro Lausitz für den Tagebau gesammelt. Das Bündnis wird finanziell von Vattenfall unterstütz, legt jedoch großen Wert darauf nicht an der Gründung beteiligt gewesen zu sein.
Ein Mitglied des Bündnisses schreibt in einem offenen Brief, dass die Demokratie durch die starke Ideologisierung der gesellschaftlichen Debatte über die Energiewende, gefährdet sei. Weiterhin sieht er in der "Kohlediskussion" drei Gruppen von Teilnehmern. Erstens die Demonstrationsprofis, zweitens die Idealisten und drittens die Betroffenen, welche ihr Recht auf Arbeit und Heimat wahrnehmen. Aber er erklärt auch, dass er das Recht auf Arbeit und Heimat in der Lausitz stark gefährdet sieht. Es stehen sich folglich Naturschutz und Arbeitsplätze im Streit in der Lausitz gegenüber.

Viel Kritik mussten die vier Minister Brandenburgs aus der Partei Die Linke einstecken, da sie der Fortführung des Tagebaus zugestimmt haben, obwohl ihre Partei in ihrem Bundesprogramm den Ausstieg aus der Braunkohle fordert.

Eine Erklärung hierfür gibt der Linke-Justizminister und stellvertretende Ministerpräsident von Brandenburg, Helmuth Markov, gegenüber welt.de ab. Er erklärte vorab, dass es für jedes einzelne Mitglied der Landesregierung kein einfacher Schritt gewesen sei, da gravierend in die Belange der vom Bergbau Betroffenen eingegriffen wird. Die wurde mit den Interessen der Allgemeinheit abgewogen.

Die Linke hält trotz allem weiterhin an ihrem Plan fest aus der Braunkohleversorgung bis zum Jahr 2040 auszusteigen.